von Heusinger Rechtsanwalt in Koblenz

EUROPÄISCHES BEIHILFERECHT

Das EU-Beihilferecht fordert aufgrund der hohen wirtschaftlichen Bedeutung und Risiken von der öffentlichen Hand als Zuwendungsgeber aber auch von öffentlichen und privaten Unternehmen als Zuwendungsempfänger die beihilferechtliche Prüfung und Strukturierung staatlicher Zuwendungen. Die intensive wirtschaftliche und rechtliche Prüfung und Beratung insbesondere bei auch bei Durchführung von Notifizierungsverfahren vor der EU-Kommission ist unumgänglich. Nicht nur die Befreiung von Soziallasten und Steuern, sondern auch nicht marktgerechte Vergütungen von Aufträgen, Privatisierungen ohne Ausschreibung und Bürgschaften und Zuschüsse zu Investitionsvorhaben können europarechtlich Beihilfen darstellen. VON HEUSINGER unterstützt sowohl die öffentliche Hand als auch öffentliche und private Unternehmen bei allen beihilferechtlichen Fragen.

Worum es geht!

Vor dem Hintergrund eines freien Wettbewerbs im Binnenmarkt und insbesondere der Öffnung der öffentlichen Dienste für den Wettbewerb nutzen die Mitgliedstaaten manchmal öffentliche Mittel, um bestimmte Wirtschaftszweige zu fördern oder nationale Industrien zu schützen. Dies erfolgt, in dem staatliche Behörden oder Banken öffentliche Gelder zur Stützung heimischer Wirtschaftszweige oder einzelner Unternehmen nutzen.

Eine solche Mittelverwendung kann eine staatliche Beihilfe darstellen. Staatliche Beihilfen begünstigen bestimmte Unternehmen gegenüber ihren Mitbewerbern und können den Wettbewerb verzerren.

Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) untersagt staatliche Beihilfen. Ausnahmeregelungen ermöglichen jedoch Beihilfen zur Verwirklichung von Zielen von gemeinsamem Interesse, zum Beispiel für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, wenn sie den Wettbewerb nicht in einem Maß verfälschen, das dem allgemeinen Interesse zuwiderläuft. Die Kontrolle der staatlichen Beihilfen erfolgt durch die Europäische Kommission. Sie besteht darin, das Gleichgewicht zwischen den positiven und den negativen Auswirkungen der Beihilfen zu beurteilen.

Staatliche Beihilfen sollen nur dann bewilligt werden, wenn sie tatsächlich im Interesse der Öffentlichkeit liegen, also der Gesellschaft oder der Wirtschaft als Ganzes dienen.

Artikel 108 AEUV enthält Einzelheiten darüber, wie die Kommission bei der Anwendung der EU-Vorschriften über staatliche Beihilfen vorzugehen hat.

Entscheidung über zulässige Beihilfen

Um zu entscheiden, ob es sich bei staatlichen Mittreln um eine unzulässige EU-Beihilfe handelt, untersucht die Kommission zunächst folgende Fragen:

  • Haben staatliche Behörden eine Beihilfe gewährt, z. B. in Form von Zuschüssen, Zinsvergünstigungen oder Steuerbefreiungen, Bürgschaften, staatlichen Beteiligungen an Unternehmen, der Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen zu Vorzugsbedingungen usw.?
  • Könnte die Beihilfe den zwischenstaatlichen Handel in der EU beeinträchtigen? (Bei staatlichen Beihilfen unter 200 000 Euro in einem Zeitraum von drei Jahren wird angenommen, dass diese den EU-Handel nicht beeinflussen.)
  • Handelt es sich um eine selektive Beihilfe? Begünstigt die Beihilfe also bestimmte Unternehmen bzw. Wirtschaftszweige oder Unternehmen in bestimmten Regionen? Allgemeine steuerliche Maßnahmen oder arbeitsrechtliche Vorschriften sind beispielsweise nicht selektiv, da sie für alle gelten.
  • Gab es aufgrund der Beihilfe Wettbewerbsverzerrungen oder sind diese zu erwarten?

In der Charleroi-Entscheidung der EU-Kommission vom vom 12. Februar 2004 über die Vorteilsgewährung seitens der Region Wallonien und des Flughafenbetreibers Brussels South Charleroi Airport zugunsten des Luftfahrtunternehmens Ryanair bei dessen Niederlassung in Charleroi hat die Kommission entschieden:

„Als nicht mit dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers vereinbar sind Verpflichtungen anzusehen, die von einem Flughafenbetreiber eingegangen werden und für die nicht nachgewiesen werden kann, dass sie dazu führen, dass der Flughafenbetrieb als solcher innerhalb einer angemessenen Frist einen angemessenen Nutzen daraus zieht.“

„Um zu untersuchen, ob sich das Unternehmen wie ein umsichtiger marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber verhalten hat, muss man sich gemäß der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (EuGH) in den Kontext der Zeit zurückversetzen, in der die finanziellen Unterstützungsmaßnahmen getroffen wurden.“

Dies wird anhand des sog. Privatinvestortests geprüft. Nach dem Privatinvestortest liegt immer dann keine Beihilfe vor, wenn ein privater Investor in einer dem Staat vergleichbaren Lage dem Unternehmen den Vorteil in gleicher Weise gewährt hätte. Dies ist z. B. der Fall, wenn ein vom Staat gewährtes Darlehen zu marktüblicher Verzinsung und unter marktüblichen Sicherheiten gewährt wird oder wenn der Staat für ein Investment eine markt- und sektorübliche Rendite erhält.

Bei der Anwendung des Privatinvestortests ist zwischen dem Staat als Marktteilnehmer und dem Staat als Träger öffentlicher Gewalt zu unterscheiden. Bei der Bewertung einer Investition des Staates sind daher solche Risiken nicht zu berücksichtigen, die dem Staat als Träger öffentlicher Gewalt entstehen, z. B. Steuerausfälle, sinkende Sozialabgaben, höhere Arbeitslosigkeit oder Risiken aus Bürgschaften, welche als Beihilfen gewährt wurden.

Die praktische Bedeutung des Private-Investor-Tests im Beihilfenrecht ist nicht zu unterschätzen. Er ist in Rechtsprechung und Entscheidungspraxis der Kommission durchweg anerkannt. Stellt demnach eine Maßnahme keine Beihilfe dar, muss diese Maßnahme nicht bei der EU-Kommission angemeldet und auch nicht durch sie genehmigt werden. Darüber hinaus können sich Wettbewerber nicht vor nationalen Gerichten wegen Verstoßes gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV gegen diese Maßnahmen zur Wehr setzen bzw. Schadensersatz verlangen.

Als Bestandteil des Europäischen Wettbewerbsrechts kommt das Europäische Beihilfenrecht im nationalen Recht zur unmittelbaren Anwendung. Das angesichts der langjährigen Subventionspraxis für viele unerwartete grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen findet seine Ausnahmen in Gruppenfreistellungsverordnungen, Beihilferegelungen oder Einzelfallgenehmigungen der Europäischen Kommission. Liegt keine dieser Ausnahmen vor, führt der Verstoß gegen das sog. „Durchführungsverbot“ oder auch „stand still“-Klausel nach der Rechtsprechung des BGH im deutschen Recht zur Nichtigkeit der zugrundeliegenden Rechtsgeschäfte. Um die Beihilfenkontrolle durch die Europäische Kommission effektiv zu gestalten, hat die Rechtsprechung dem Begünstigten einer staatlichen Beihilfe darüber hinaus auferlegt, die Genehmigungslage der Beihilfe selbst zu prüfen. Er darf sich dabei nicht auf die Auskünfte der deutschen Behörden oder anderer Beihilfengeber verlassen.

Zu unserem Kompetenzschwerpunkt gehört es, unsere Mandanten sowohl bei beihilferechtlichen Fragestellungen im deutschen Recht als auch im Rahmen von Verfahren bei der Europäischen Kommission oder in Rechtsstreiten vor den Europäischen Gerichten zu betreuen. Häufig steht dabei neben der rechtlichen Beratung die Koordinierung und Abstimmung mit den zuständigen Bundes- oder Landesministerien, den beihilfegewährenden Stellen sowie den Dienststellen der Kommission im Mittelpunkt.

Tätigkeitsschwerpunkte

  • Einleitung und Begleitung beihilferechtlicher Genehmigungsverfahren („Notifizierungsverfahren“)
  • Wettbewerberbeschwerden bei der EU-Kommission
  • Rückforderungsverfahren
  • Beihilferechtliche Betreuung von Privatisierungen, Ausschreibungen, Veräußerungen im Rahmen von Insolvenzverfahren
  • Prozessführung in Verfahren mit beihilferechtlichen Aspekten, sowohl vor deutschen Gerichten als auch beim Europäischen Gericht erster Instanz und dem Europäischen Gerichtshof